Wenn innerhalb von einem Abend aus “Wir können ja mal drüber reden…”, “Wir nehmen Carlotta auf!” wird – willkommen in der Familie Kioschis! <3
Stell dir vor:
Ein 17 jähriges Mädchen sitzt an einem Samstag Abend kurz vor ihren letzten Sommerferien am Laptop, scrollt durch Facebook und sieht zum wiederholten Male Anzeigen verschiedener Austauschagenturen, die nicht nur ins Ausland vermitteln, sondern vor allem auch Familien für Schüler, die nach Deutschland kommen, suchen.
Sie wollte schon immer eine Gastschwester sein, um das, was ihr damals in ihrem Austausch gefehlt hat, einem anderen Gastkind bieten zu können.
…Dieses Mädchen war ich 😀
Weil ich aber erst einmal die Agenturen kennenlernen wollte, schrieb ich einigen eine Email aus der Sicht einer potentiellen Gastschwester. Mit meinen Eltern hatte ich längere Zeit zuvor schon einmal gesprochen, wir waren so verblieben, dass wir es uns generell vorstellen können, aber mal schauen, wie es kommt. Die Frage war jetzt nur: Wie soll etwas passieren, wenn wir nichts tun? Die Agentur wird uns schon nicht einfach so eine Austauschschülerin vor die Tür stellen, ohne dass wir uns dafür anmelden.
So kontaktierte ich vier oder fünf verschiedene Agenturen. Ich erhielt eine Antwort nach ungefähr zwei Wochen, eine aber schon nach einigen Minuten. Das überraschte mich total, schließlich war es nicht nur Samstags, sondern auch noch abends. Die Leiterin der Agentur “Stepin”, Barbara, schrieb mit mir Mails hin und her, als würden wir auf Facebook chatten. Dann bat sie mir an, dass wir telefonieren könnten. Es war bereits 20.30 Uhr, als wir am Telefon sprachen. Sie stellte mir viele Fragen über meine Familie, meine Schulsituation und darüber, wie ich mir einen Alltag mit einer Gastschwester vorstellen würde. Nach dem Telefongespräch redete ich mit meinen Eltern, die im Wohnzimmer saßen. Mein Vater musste an dem Abend noch zur Nachtschicht und meinte, wir Frauen würden das schon regeln. Nunja, das taten wir in irgendeiner Hinsicht auch :D. Mama telefonierte mit Barbara, als es schon 21.30 Uhr war. Sie hatte einige Bedenken und etwas Angst vor der Umstellung, doch war schnell überzeugt.
Barbara sendete mir noch an dem Abend Kurzprofile der potentiellen Gastschüler zu, aus welchen ich mir drei aussuchte, von welchen ich wiederum die Langprofile erhielt. Diese waren ca. 20 Seiten lang und enthielten ärztliche Zeugnisse, sämtliche Noten und jede Information, die man über einen Menschen erhalten könnte. Schnell wurde klar, dass Carlotta, ein Mädchen aus Italien, perfekt in unsere Familie passen würde. Sie hat, genau wie meine Mutter, eine Laktoseintoleranz, ist, genau wie Mama und ich, sportbegeistert und achtet sehr auf ihre schulischen Leistungen, was meinen Eltern in meinem Abiturjahr sehr wichtig war.
Als mein Vater dann morgens von der Nachtschicht kam, begrüßte ich ihn mit den Worten “Papa, wir nehmen Carlotta auf!”. Er – total überfordert mit der Information – legte sich erst einmal schlafen und vertagte das Gespräch auf den Nachmittag. Viel ändern konnte er dann sowieso nicht mehr, Mama und ich hatten unsere Entscheidung bereits an die Agentur gesendet. Er ließ sich darauf ein und so nahm das Abenteuer seinen Lauf.
Ich kümmerte mich um die Kurswahl, bereitete mein Zimmer vor, indem ich eine Hälfte ausräumte (was gar nicht so einfach war) und wartete auf Carlotta.
Schon bald war sie da und ich gab mir viel Mühe, ihr einen einfachen Start zu ermöglichen. Zu Beginn korrigierte ich oft noch ihre Hausaufgaben und brachte ihr bei, wie man Analysen schreibt und was die Lehrer von ihr erwarten. Sie achtete sehr auf ihre Leistungen in der deutschen Schule.
Schnell fand sie auch eigene Freunde und war oft unterwegs, es war also wie in einer normalen Familie.
Schön waren die Abende, denn wir redeten über alles, lachten viel zusammen und verstanden uns sehr gut. Langsam wuchsen wir mehr zusammen und sie lernte mich beinahe besser kennen, als meine Eltern. Wenn man 10 Monate gemeinsam in einem Zimmer von 22 qm wohnt, passiert das wohl. Ich bin unendlich glücklich, dass wir so gut miteinander kommunizieren konnten. Sie lernte ein beinahe perfektes Deutsch während ihrer Zeit hier und bestand sogar ihr C1 Zertifikat mit guten Noten.
Für mich bekam sie eine echte Schwester, in meinem Handy steht sie bis heute als “Schwesterherz”.
Kurz bevor sie nach Italien zurück flog, fuhren wir für drei Tage zu zweit nach Paris.
Die Geschichte war echt verrückt:
Am 18.06., der 22. Geburtstag meines damaligen Partners und seines Zwillings, hatte ich meinen Abiball. Abibälle sind, wie man es kennt, sehr lang. Am nächsten Morgen fuhren wir bereits um 7 Uhr in Dortmund los, mit dem Fernbus Richtung Paris. Ich schlief viel im Bus, denn wir fuhren ungefähr 12 Stunden. Dann verbrachten wir den Abend des Freitags, den Samstag und den Morgen des Sonntags dort und fuhren anschließend mit dem Fernbus zurück. Geschlafen haben wir von Donnerstag bis Sonntag fast gar nicht, maximal im Fernbus, aber ich werde unseren Städtetrip niemals vergessen. Auf unseren GoPro Videos ist leider ein großer Fettfleck drauf, den wir erst beim Schneiden der Videos entdeckt haben.
[youtube https://www.youtube.com/watch?v=uOlqoo-HP5A&w=560&h=315]
Einige Tage später flog sie schon zurück nach Italien.
Ich bin unendlich dankbar für diese tolle Erfahrung.